Wichtige Anstossfunktion für politische Themen
Wenn der Grosse Rat eine Gesetzesänderung oder eine Ausgabe beschliesst, dann tut er dies auf Vorschlag des Regierungsrats. Ziemlich oft steht am Ursprung jedoch eine Forderung aus dem Grossen Rat. Den Grossratsmitgliedern stehen mehrere Instrumente («Vorstösse») zur Verfügung, mit denen sie selbst Themen und Projekte lancieren und so die politische Agenda mitbestimmen können.
Regierungsmitglieder beantworten Fragen. Foto: Michael Fritschi
Den Regierungsrat zu einer Massnahme verpflichten
Mit der Motion und dem weniger verpflichtenden Anzug kann der Grosse Rat dem Regierungsrat Aufträge erteilen. So kann der Grosse Rat die Regierung per Motion zwingen, ihm zur Erfüllung eines Ziels (z.B. Verlängerung der Ladenöffnungszeiten, Senkung der Steuern) eine Gesetzesänderung vorzulegen, notfalls auch gegen deren Willen.
Vom Regierungsrat Auskunft verlangen
Die Interpellation und die Schriftliche Anfrage dienen Informationszwecken. Vor allem mit einer Interpellation wird vom Regierungsrat rasch Auskunft zu einer kantonalen Angelegenheit verlangt. Mit einer Resolution kann der Grosse Rat in einer wichtigen Angelegenheit gegenüber der Öffentlichkeit Stellung nehmen.
Mittels eines Budgetpostulats kann der Grosse Rat eine Änderung des Kantonsbudgets verlangen. Schliesslich dienen die Standesinitiative und das Standesreferendum der Mitwirkung auf Bundesebene.
Für die Überweisung einer Motion, eines Anzugs oder eines Budgetpostulats müssen mindestens 50 Ratsmitglieder anwesend sein. Dann gilt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
Rechtsgrundlagen
Geschäftsordnung des Grossen Rates, § 42ff. | Ausführungsbestimmungen, § 36ff.
Motion
Die Motion ist das verpflichtendste parlamentarische Instrument. Mit ihr kann jedes Ratsmitglied oder eine ständige Kommission vom Regierungsrat verbindlich fordern, dem Grossen Rat ein neues Gesetz, eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung oder einen Grossratsbeschluss vorzulegen oder eine Massnahme zu ergreifen.
Unzulässig sind Motionen, die gegen höherrangiges Recht (z.B. Bundesrecht oder interkantonales Recht) verstossen oder auf den verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates, auf einen Einzelfallentscheid, auf einen in gesetzlich geordnetem Verfahren zu treffenden Entscheid oder einen Beschwerdeentscheid einwirken wollen. In den verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereich des Regierungsrates fallen insbesondere Fragen zur Organisation der Verwaltung.
Motionen werden in einem zweistufigen Verfahren beschlossen: Bei einer Überweisung hat der Regierungsrat drei Monate Zeit für eine Stellungnahme, dann wird die Motion im Grossen Rat erneut traktandiert. Nur wenn sie wiederum eine Mehrheit findet, wird sie für den Regierungsrat zum verbindlichen Auftrag. Motionen, die keine Frist enthalten, sind spätestens innert vier Jahren zu erfüllen. Eine Motion kann vom Grossen Rat auch als weniger verpflichtender Anzug überwiesen werden.
Anzug
Der Anzug (der dem Postulat beim Bund und den meisten Kantone entspricht) ist eine Anregung zur Änderung der Verfassung, eines Gesetzes oder Grossratsbeschlusses oder zu einer Massnahme der Verwaltung. Antragsberechtigt sind Ratsmitglieder und ständige Kommissionen.
Erklärt der Grosse Rat den Anzug für erheblich, so wird er der Regierung, dem Ratsbüro oder einer Grossratskommission überwiesen, die dann zwei Jahre Zeit haben, Bericht zu erstatten und allenfalls Antrag zu stellen. Ist der Grosse Rat mit dem Resultat unzufrieden, kann er den Anzug stehen lassen und erneut entscheiden, wer den Anzug behandeln soll. Die Frist zur Neubearbeitung beträgt wiederum zwei Jahre.
Interpellation (auch dringlich)
Eine Interpellation ist das Recht, von der Regierung Auskunft über die Verwaltung oder über Angelegenheiten, die von Interesse für den Kanton sind, zu verlangen.
Pro Session kann nur eine Interpellation pro Ratsmitglied eingereicht werden. Spätester Abgabetermin: Montag 12.00 Uhr vor dem ersten Sitzungstag im Monat. Die Antwort des Regierungsrates kann mündlich (in der gleichen Session) oder schriftlich (in der darauffolgenden Session) erfolgen. Nach Beantwortung durch das zuständige Regierungsmitglied erklärt das interpellierende Ratsmitglied, ob es mit der Antwort zufrieden ist. In der Regel findet keine Diskussion statt; der Grosse Rat muss eine solche ansonsten beschliessen.
Bei ausserordentlichen Vorkommnissen kann jedes Ratsmitglied bis eine halbe Stunde vor Sessionsbeginn eine dringliche Interpellation beim Ratspräsidium einreichen. Sofern diese im Rat ein Zweidrittelmehr findet, muss sie der Regierungsrat in der gleichen Sitzung mündlich beantworten.
Schriftliche Anfrage
Die Schriftliche Anfrage ist das Ersuchen um Auskunft der Regierung über eine kantonale Angelegenheit. Anfragen können ausschliesslich von Ratsmitgliedern eingereicht werden.
Die schriftliche Antwort des Regierungsrats muss innert drei Monaten erfolgen; eine Diskussion im Rat findet nicht statt. Das anfragende Ratsmitglied hat aber Anrecht, im Protokoll eine kurze Replikerklärung zu veröffentlichen.
Budgetpostulat
Das Budgetpostulat ist ein Antrag, der eine Verminderung der Einnahmen oder eine Erhöhung der Ausgaben im aktuellen Budget bezweckt ("Verschlechterung“ des Budgets). Antragsberechtigt sind Ratsmitglieder und ständige Kommissionen.
Das Budgetpostulat muss bis zum Schluss der Budgetsitzung im Dezember beim Präsidium eingereicht werden. Der Überweisungsbeschluss erfolgt in der darauffolgenden Januar-Session. Der Bericht des Regierungsrates wird in der April-Session behandelt.
Vorgezogenes Budgetpostulat
Ein Vorgezogenes Budgetpostulat ist ein Antrag für eine Änderung in einem zukünftigen Budget. Antragsberechtigt sind Ratsmitglieder und ständige Kommissionen.
Der Regierungsrat berichtet im Bericht zum Budget, ob er das Anliegen ganz oder teilweise erfüllt. Sofern er das Vorgezogene Budgetpostulat nicht umgesetzt hat, entscheidet der Grosse Rat bei der Verabschiedung des Budgets im Dezember, ob und wie weit es ins Budget übernommen wird.
Planungsanzug
Der Planungsanzug ist ein Antrag auf eine Änderung eines Schwerpunkts bzw. der politischen Ziele pro Aufgaben- und Ressourcenfelder, die im Bericht des Regierungsrats zum Budget enthalten sind. Antragsberechtigt sind Ratsmitglieder und ständige Kommissionen.
Eingereicht werden neue Planungsanzüge auf die Budgetsitzung hin. In der Budgetsitzung entscheidet der Grosse Rat, ob der Planungsanzug an den Regierungsrat zur Stellungnahme bis zur Session vor den nächsten Sommerferien überwiesen werden soll. Vor dem Überweisungsentscheid findet nur eine Diskussion statt, wenn ein Antrag auf Nichteintreten vorliegt.
Resolution
Eine Resolution ist eine Stellungnahme des Grossen Rates zum aktuellen politischen Geschehen. Antragsberechtigt sind Ratsmitglieder und ständige Kommissionen. Die Resolution muss vor Sessionsbeginn schriftlich beim Parlamentsdienst eingereicht werden. Um die Resolution zu fassen, braucht es zwei Drittel der Stimmen.
Standesinitiative und Standesreferendum
Der Kanton Basel-Stadt hat mit der Standesinitiative und dem Standesreferendum zwei Mitwirkungsrechte auf Bundesebene, die vom Grossen Rat ausgeübt werden. Jedes Ratsmitglied ist berechtigt, die Einreichung einer Standesinitiative oder die Ergreifung des Standesreferendums zu beantragen.
Die Standesinitiative ist ein Entwurf oder eine allgemeine Anregung zu einer Verfassungsänderung, einem Gesetz oder einem Bundesbeschluss, den bzw. die ein Kanton auf Bundesebene einreicht. Der Antrag muss ausformuliert und begründet eingereicht werden. Zuerst entscheidet der Grosse Rat, ob er den Antrag dem Regierungsrat zur Stellungnahme innert drei Monaten überweisen möchte. Aufgrund dieser Stellungnahme entscheidet der Grosse Rat, ob er die Standesinitiative einreichen will.
Einem Standesreferendum müssen acht Kantone zustimmen, damit es zustande kommt.